Eine Beraterkarriere
Verkaufsgespräche
Und obwohl Sie gerade gelernt haben, dass
Sie Kunden lediglich insoweit vertreten dürfen, als dass
Sie Vertragsschlüsse herbeiführen, steht in einem
Textbaustein: "Ich vertrete Dich gegenüber der Versicherung
und werde für Dich den optimalen BWL-Supersparrabatt
aushandeln" oder "Und weil Du es bist, werde ich
noch aus meinem eigenen Rabatt-Kontingent, dass ich bei der
Mafiosi-Versicherung habe, 5% locker machen."
(Sie werden in Ihrer gesamten Karriere niemals
mit Versicherungsunternehmen auch nur sprechen oder sie von
innen sehen. Sie bekommen von der KACKENDREIST AG Standardverträge,
die Sie verkaufen sollen. Aus.)
Oder: "In unserem Back Office in Hinterwald
sitzen 300 Spezialisten, die den ganzen Tag lang alle denkbaren
Angebote prüfen."
(Vielleicht waren die Hitler-Tagebücher
ja doch echt?!)
Oder: "Die KACKENDREIST AG hat eine
solche Marktmacht, dass wir neben Rabatten Konditionen durchsetzen
können, die der Markt normalerweise gar nicht leisten
kann."
(Wenn das der Markt nicht leisten kann und
die Produkte so scharf kalkuliert sind, wie schafft es die
KACKENDREIST AG dann eigentlich, daran noch ihren Schnitt
zu machen?
Tatsächlich kann die KACKENDREIST AG den Versicherern
unterm Strich ein interessanteres Klientel anbieten - streicht
diesen Vorteil aber selber ein. Der Firmengründer, ein
self made-Milliardär, gehört nicht um sonst zu den
10 reichsten Deutschen.)
Sie spielen mit den Ausbildern und den anderen
Patienten Verkaufsgespräche durch. Dabei trainieren Sie
die psychologisch geschickt vorgegebene Gesprächsführung.
Ihr Vortrag besteht aus lauter Suggestivfragen, die kein vernünftiger
Mensch mit "nein" beantworten könnte. Sie zeigen
Angstszenarien auf und überfahren den Kunden, der den
Zahlen und Themen nicht in so kurzer Zeit folgen können
wird, das aber wohl nicht zugeben wollen wird.
Das wichtigste Trainingsziel ist das "Antwortmanagement":
Was auch immer der Kunde gegen Ihre Argumente oder Produkte
einwenden kann, ist voraussehbar und muss mit von Verkaufspsychologen
vorbereiteten Antworten pariert werden.
Beispiel:
Kunde: "Ich verlasse mich grundsätzlich nur auf
Testergebnisse" (Bsp.: Stiftung Warentest)"
Antwort: "Schön, dann kommen Sie mal zu mir. Ich
sammle die Ergebnisse aus Leidenschaft und zaubere aus dem
Stand Gegentests. Die Frage ist, wo die Beratungsschwerpunkte
gesetzt werden."
(Aha. Sie sollen also dem Kunden ein fiktives
Hobby, das Sammeln von Testergebnissen vorlügen.)
Kunde: "Ein Freund von mir hat schlechte
Erfahrungen bei der Kackendreist AG gemacht."
Antwort: "Berater sind so unterschiedlich wie Menschen.
Da gibt es schon Konstellationen, die nicht zusammenpassen."
(Ach wirklich? Diese Textbausteine sprechen
doch wohl eher dagegen, dass unterschiedliche "Beratungen"
stattfinden. Zumal ohnehin nur Standardprodukte angeboten
werden.)
Alternative Antwort: "Hören Sie
zu: Wir sind seit 30 Jahren tätig, seit 10 Jahren eine
börsennotierte AG, waren 3 mal in Folge Unternehmen des
Jahres. Das wird man nicht auf unseriöse Art."
(Doch.)
Kunde: "Sie sind doch selbständig,
da ist es Ihnen doch wichtig, viel Provision zu verdienen."
Antwort: "Dieses Problem hat die Kackendreist AG auch
erkannt. Daher werden die Provisionen auch gekappt."
(Wie bitte? Was werden die?)
Kunde: "Können Sie mir die Infos
nicht mit der Post zusenden?"
Antwort: "Prospekte gibt es nur für Massenwaren,
aber nicht für Individuallösungen."
(Seltsamerweise haben
alle "Individuallösungen", welche die Kackendreist-Software
generieren wird, den gleichen Vertragstext.
Wie Sie später
feststellen werden, bestehen 90% Ihrer "Ausbildung"
aus Verkaufstraining. Einzig darum geht es auf der "University".)
Eine Doppelfunktion erfüllt das Rhetorik-Seminar:
Sie lernen nicht nur etwas über Gesprächsführung,
sondern Sie können Ihr "Geheimwissen" auch
als Köder einsetzen, um mit selbstgehaltenen "Rhetorik-Seminaren"
Kunden zu Verkaufsshows zu locken.
(Wie clever.)
Zwischendurch schaut ohne Ankündigung
der Vorstandsvorsitzende Dr. B. Trüger vorbei. Er schüttelt
jedem die Hand, so wie vielleicht der Papst die VIPs zu begrüßen
pflegt. Sie sind angehender Bestandteil der KACKENDREIST-Community.
(Toll.)
Dr. Trüger hatte auch als "Berater"
angefangen, sich hochgearbeitet und sich als so tüchtig
erwiesen, dass er die Leitung des mittelständischen Betriebs
übernehmen und in eine Aktiengesellschaft überführen
konnte.
("Hochgearbeitet" heißt,
dass er viele Verträge rangezogen hat. Ob das wohl eine
vielversprechende Qualifikation ist, um eine AG zu leiten?
Seinen Doktortitel hat er in Vorderorientalistik erworben.)
Irgendwann war Dr. Trüger so clever
gewesen, dass er sich einige Millionen lieh und Firmenaktien
erwarb. Da sich der Wert des Unternehmens in wenigen Jahren
vervielfachte, wurde Trüger über Nacht zum Multimillionär.
Alle wollen werden wie Dr. Trüger.
(Nämlich ein
Fall für den Staatsanwalt.)
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