Eine Beraterkarriere
Was bin ich?
In Ihrer nächsten Woche in Hinterwald
lernen Sie die hohe Kunst des Verkaufsgesprächs.
(Habe ich's nicht gesagt!?)
Seminarleiter sind erfolgreiche "Berater"
und GLs.
("Erfolgreich" im Sinne von Umsatz.
Beratungskompetenz ist kein Kriterium, das hier irgendjemanden
interessieren könnte. Es geht um Geld.)
Sie bekommen Unterlagen ausgeteilt, auf
denen links oben steht, dass diese nicht an Dritte weitergegeben
werden dürften. Dort bekommen Sie schematisch ein Flussdiagramm
für ein Verkaufsgespräch vorgegeben, das aus lauter
Textbausteinen aufgebaut ist.
(Sie sind also Akademiker geworden, um einen
Job mit dem Anspruch für 16-jährige zu machen? Gratulation!
Hoffentlich haben Sie auch promoviert! Hat sich ja gelohnt.)
In einem Textbaustein bekommen Sie erklärt,
wie Sie dem Kunden das Beratungsverhältnis darstellen
sollen. Sie "vertreten den Kunden gegenüber dem
Versicherungsunternehmen". Sie sind also ein "Versicherungsberater"?
(Nein. Ein "Versicherungsberater"
wird ausschließlich im Auftrag des Kunden tätig
und unterliegt dem Rechtsberatungsgesetz. Er ist seinem Mandanten
zu Loyalität verpflichtet und erhält für seine
Leistung von diesem ein Honorar. Er darf Ihnen einen empfohlenen
Vertrag nicht verkaufen oder sonst an dem Geschäft partizipieren,
was einen Loyalitätskonflikt auslösen würde.
Er könnte sich sonst des Parteiverrats strafbar machten.)
Sind Sie Makler?
(Nein? Auch der Makler ist seinem Kunden
zu Loyalität verpflichtet und erhält für seine
Leistung eine vereinbarte, von der Höhe des Geschäfts
abhängige Provision ("Courtage"). Zwar hat
er Interesse an der Höhe des Umsatzes, seine Provision
liegt jedoch offen und ist unabhängig von seiner Auswahl
an Unternehmen.
Übrigens nennt sich auch die KACKENDREIST AG selbst "Makler".
Das meint sie allerdings nicht ernst, denn sonst befände
sie sich in einem ärgerlichen Interessenkonflikt. Außerdem
sind Makler per Definition absolut freie Unternehmer. Makler,
die sich an einen Vertrieb binden, sind ein innerer Widerspruch.)
Und Sie sind natürlich kein "Versicherungsvertreter",
da Sie nicht eine bestimmte Gesellschaft vertreten.
(Beim Versicherungsvertreter weiß der
Kunde wenigstens, dass dieser hinsichtlich der Auswahl des
favorisierten Unternehmens parteiisch ist, also ein "Verkäufer"
ist. In Wirklichkeit werden Sie jedoch ebenfalls praktisch
nur eine Handvoll Unternehmen vertreten, nämlich die,
welche mit der KACKENDREIST AG tatsächlich ernsthaft
kooperieren.)
Sie sind Handelsvertreter und dürfen
als Versicherungsagent Vertragsabschlüsse für Unternehmen
tätigen oder vermitteln.
(Sie stellen also dem Kunde nichts in Rechnung,
sondern beziehen vom vermittelten Unternehmen eine Provision.)
Über die Höhe der Provision bewahren
Sie aber dem Kunden gegenüber Diskretion!
(Da die qualitativ hochwertigen Produkte
mit niedrigeren Provisionen reizen, unverkäuflicher Schrott
jedoch fette Provisionen bietet, ist es eine Charakterfrage,
welches Produkt ein Agent empfiehlt. Da Sie als "Berater"
jedoch unter Verkaufsdruck stehen (Schulden etwa bzgl. des
Vorschusses), sind solche Charakterfragen purer Luxus. Wollen
Sie etwa in Schönheit sterben?)
Da "Handelsvertreter" irgendwie
nach Kaufmann und Klinkenputzer klingt, bedeutet man Ihnen,
diesen Begriff zu unterlassen. Sie sind KACKENDREIST-"Berater"!
(Klar. Und Steuerhinterzieher sind "Steueroptimierer",
Entlassungen sind "Umstrukturierungen", Kriege sind
"Konflikte", Sterben ist "Ableben", Todesfallversicherungen
sind "Lebensversicherungen", über den Tisch
ziehen ist "Beratung".)
Als "Berater" werden Sie eine
sehr verantwortungsvolle Tätigkeit ausüben.
(Als Handelsvertreter
haben Sie praktisch nichts selbst zu entscheiden. Ihre Verantwortung
für den Kunden ist Charakterfrage. Siehe oben.)
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